Erfolgsgeschichte „Bridge&Tunnel“:
Zukunft nach Maß
„Bridge&Tunnel“ - hinter diesem Namen verbirgt sich nicht nur der Hinweis auf den geografischen Standort des Designlabels im Hamburger Hafenviertel Wilhelmsburg, das nur über Brücken oder den Elbtunnel erreichbar ist. Im Namen steckt noch mehr: Hier wird auch eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt geschlagen.
Angefangen hat alles vor knapp vier Jahren im Stoffdeck, einem Co-Working-Space für Mode- und Textildesigner. Die beiden Gründerinnen des Labels, Constanze Klotz (Conny) und Hanna Charlotte Erhorn (Lotte), erfuhren von einem deutsch-türkischen Näh-Club in Wilhelmsburg. Einmal in der Woche brachten die Frauen ihre Nähmaschinen mit in die Moschee, schoben Tische zusammen und nähten gemeinsam. Kurzerhand luden Conny und Lotte den Näh-Club ein, jeden Mittwoch zu ihnen ins Atelier im Stoffdeck zu kommen und die vorhandenen Nähmaschinen zu nutzen.
Für Conny und Lotte war klar: da draußen wartet viel Talent, das in keinem Jobcenter erfasst ist – und dieses galt es nun zu finden. Die beiden starteten ihren Aufruf über das Wilhelmsburger Wochenblatt und wurden über Nacht im ganzen Viertel bekannt. Überwältigende 60 Bewerbungen trafen bei Conny und Lotte ein und aus den ursprünglich vier angedachten Mitarbeitern wurden schließlich sechs, die aus Fundraising-Mitteln finanziert werden konnten.
Doch neben dem Social Business sollte auch die ökologisch nachhaltige Seite nicht zu kurz kommen. Schnell reifte die Idee, alle Produkte ausschließlich aus gebrauchten Jeans herzustellen. Inzwischen gibt es im Onlineshop von „Bridge&Tunnel“ eine breite Palette an Produkten - jedes ein Unikat aus Blue oder Black Jeans: von Taschen in allen Größen, Weekendern und Rucksäcken über Pullover und Blousons bis hin zu Einrichtungstextilien, wie Kissen, Decken und Teppichen.
Lotte, die als Textildesignerin die Designs entwickelt, erklärt, dass man bei Jeans auch schnell an Grenzen stößt, schließlich ist ein Männerhosenbein im Schnitt maximal 17 cm breit. Das limitiert das Design, das natürlich - unabhängig vom Patchworkverfahren - raffiniert und schön aussehen soll, damit die Produkte gekauft werden. Gleichzeitig darf der Schnitt aber nicht zu komplex sein, damit er gut von den Näherinnen und Nähern umgesetzt werden kann. Nur mit dieser Kombination kann am Ende auch ein fairer Preis entstehen.
Im Webshop sieht man aufgelistet, wie sich die Kosten für die Produkte zusammensetzen: Wie viel Prozent gehen in die Materialaufbereitung, wie viel in das Gehalt der Näher, wie viel Mehrwertsteuer kommt hinzu. So geht es nicht nur um den fertigen Rucksack oder die fertige Tasche, sondern viel mehr auch darum, wie sie entstanden sind, welche Geschichte sie erzählen. Conny nennt das Design Plus. Das Label möchte zeigen, dass es hier einen Unterschied gibt und man gewissermaßen mehr für sein Geld bekommt als bei einem herkömmlichen Label. Design, das nicht nur gut aussieht, sondern sich auch ethisch und ökologisch gut anfühlt.
Es ist ein großer Balanceakt, diese zwei Welten miteinander zu verbinden: sich einerseits mit seinem Produkt am Markt zu behaupten und zugleich einen gesellschaftlichen Mehrwert zu leisten und Menschen in die Arbeitswelt zu integrieren, die es sonst schwer haben, Arbeit zu finden.
Asiye arbeitet als Anleiterin bei „Bridge&Tunnel“ und ist damit für die Produktionsvorbereitung, den Zuschnitt und die komplette Fertigung verantwortlich. Darüber hinaus verteilt sie im Team die anstehenden Aufgaben. Sie hat in Hamburg Bekleidungstechnik studiert und konnte danach lange keine Arbeit finden.
Während das Team anfangs ausschließlich aus Frauen bestand, so hat sich dies mit Beginn des Flüchtlingsstroms geändert. Conny und Lotte öffneten ihr Label und boten auch Geflüchteten Praktikumsplätze in der Werkstatt an. Fast 40 Geflüchtete haben inzwischen ein Praktikum bei ihnen absolviert. Dabei handelt es sich zu 95 Prozent um Männer und stellte alle vor ganz neue Herausforderungen in der Zusammenarbeit. Ein multinationales Nähteam ist inzwischen entstanden, das sich gegenseitig hilft und inspiriert. So fließen kreative Fertigkeiten aus den Heimatländern in die Näharbeiten mit ein und umgekehrt wird auch mal bei Behördengängen oder der Wohnungssuche unter die Arme gegriffen.
Und schließlich gibt es da auch noch die Diskursserie CUT UP, die Conny und Lotte ins Leben gerufen haben und die sich in unregelmäßigen Abständen dem Thema Nachhaltigkeit im Textil- und Fashionbereich widmet.
Fragt man Conny und Lotte, was sie sich für die Zukunft erhoffen, so geben sie sich bescheiden. Sie sind froh, dass sich ihr junges Label entwickelt und professionalisiert, sie über die Viertel- und Stadtgrenzen hinaus bekannter werden und mehr und mehr Menschen mit ihren Botschaften erreichen können. Ihr Ziel ist es, in ein paar Jahren vollständig auf eigenen Beinen zu stehen und sich ohne Fundraising finanzieren zu können. An Jeans und Tatendrang mangelt es nicht und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis die nächsten Brücken gebaut sind.
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