Erfolgsgeschichte "Georgien Spezial":
Appetit auf Georgien
Die Plakate an den schweren Glastüren der Markthalle leuchten an diesem Oktobertag schon von weitem in warmen, satten Farben; auf orangefarbenen Untergrund sind die Silhouetten von Trauben, Walnüssen, Auberginen und Granatäpfeln gezeichnet. Die Willkommensbanner unter der hohen Decke der historischen Markthalle zieren malerische, verschlungene Buchstaben. Noch bauen hier Köche und Winzer ihre Stände auf, dekorieren sie mit Weinamphoren, Trinkhörnern, Blumen und bunt gemusterten Tischdecken. Duftende Speisen mit klingenden Namen wie Khinkali, Satsivi oder Khatschapuri werden vorbereitet.
Um 17 Uhr wird der Abend mit einem Gong eröffnet: Es ist der wöchentliche Streetfood Thursday in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg, an dem Tausende Besucher durch die Markthalle strömen, um kulinarische Köstlichkeiten aus aller Welt zu probieren. An diesem Abend steht hier eine Region im Rampenlicht, die für die meisten Besucher noch ein weißer Fleck auf der Landkarte ist: Georgien.
Denn was wissen wir hier in Deutschland von dem kaukasischen Land zwischen Europa und Asien? Wo genau liegt es, wie sieht es dort aus, welche Sprache sprechen die Georgier, was sind ihre Traditionen und was essen und trinken sie gerne?
Auf Initiative des Auswärtigen Amts und organisiert von „Deutschland – Land der Ideen“ ist eine georgische Delegation nach Berlin gekommen, um Antworten zu geben. Im Gepäck: Weine, Gewürze und Lebensmittel, den Duft und Geschmack des Landes zwischen den kaukasischen Bergen und dem Schwarzen Meer. Die Mission: Den Deutschen im wahrsten Sinne des Wortes Appetit auf Georgien zu machen und dabei gleichzeitig seine einzigartige Kulturgeschichte zu erzählen.
„Mein Eindruck ist, dass Georgien in Deutschland noch bekannter werden muss“, sagt Lado Chanturia, Botschafter Georgiens in Deutschland. „Das Essen und der Wein sind für Georgien sehr wichtig. Das ist eine sehr gute Visitenkarte, um Georgien bekannter zu machen.“
Im Rahmen des „Deutsch-Georgischen Jahrs 2017“ hat „Deutschland – Land der Ideen“ deshalb gemeinsam mit georgischen und deutschen Partnern das Programm „Georgien Spezial“ ins Leben gerufen. Ziel dabei ist, Georgien mit allen Sinnen erfahrbar zu machen.
„Wir hoffen, dass unsere Veranstaltung im wahrsten Sinne des Wortes Appetit auf Georgien macht – und somit langfristig den Dialog und Austausch der beiden Länder noch weiter vertieft. Dass wir Georgien dabei mit unserer gesamten Expertise als Standortinitiative Deutschlands unterstützen und begleiten können, die Vorzüge, Besonderheiten und auch Eigenheiten des Landes in Deutschland vorzustellen, freut uns ganz besonders“, so Anke Müller, Nation Branding Expertin bei „Deutschland – Land der Ideen“.
Der Abend des Streetfood Thursdays ist dabei nur Auftakt für ein dreitägiges Programm, das ganz im kulinarischen Zeichen Georgiens steht; nicht nur an georgischen Essens- und Marktständen können Deutsche und Georgier miteinander ins Gespräch kommen, auch in Workshops und Kochkursen sowie bei Wein- und Käseproben ergeben sich vielfältige Möglichkeiten des interkulturellen Austauschs.
Wer sich das Plakat am Eingang genauer anschaut, wird viele der dort mit schwungvollem Pinsel gezeichneten georgischen Lebensmittel in der Markthalle entdecken können – und mit ihrer Hilfe nicht nur die landestypische Küche Georgiens, sondern auch seine Kultur, Tradition, Geschichte und Lebensart kennenlernen.
So stehen die Trauben für die jahrtausendealte Weinkultur Georgiens; an den Weinständen leuchten die georgischen Naturweine in orange, honiggelb oder bernsteinfarben, und die georgischen Winzer erzählen bei verschiedenen Weinproben stolz von ihrer 8000 Jahre alte Weintradition: Georgien, eine der ältesten Siedlungsregionen der Menschheit, gilt als Wiege der Weinkultur. Damals wie heute reift der Naturwein in Qvevris, bauchigen Tonamphoren, die bis zum Hals in die georgische Erde eingegraben werden – eine Tradition, die seit 2013 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
Oder die Walnüsse: Sie spielen eine Hauptrolle in der georgischen Küche und geben nicht nur herzhaften Fleischgerichten, Salaten und Vorspeisen sondern auch samtigen Soßen, Kompotts und Desserts ihren besonderen Geschmack. An diesem Wochenende lernen georgische und deutsche Kinder gemeinsam in einem Kochkurs, wie man aus den Nüssen georgische Süßigkeiten herstellt: Sie reihen die Walnüsse wie Perlen auf dünne Bindfäden, ziehen sie durch heißen Traubenmost und hängen sie dann zum Trocknen auf– fertig ist die beliebte georgische Süßigkeit Churchkhela. Einst diente sie Soldaten als nahrhafte Wegzehrung, erzählt die georgische Köchin Magda, und heute ist Churchkhela als Dekoration von den georgischen Marktständen nicht mehr wegzudenken.
Probiert man sich durch die verschiedenen Essenstände in der Markthalle Neun, entdeckt man die regionale Vielfalt der georgischen Küche: Khinkali, saftig gefüllte Teigtaschen, die georgische Antwort auf Maultaschen; Satsivi, Hühnchen in herzhafter Walnusssoße, gewürzt mit Safran, Koriander und Zimt; Estragon- und Birnenlimonade; und natürlich Khachapuri, ein deftig überbackenes Käsebrot mit verschiedenen Füllungen, oft gekrönt von einem Spiegelei. Schnell merken die Besucher, dass sie hier eine der abwechslungsreichsten Küchen der Welt auf ihrem Teller haben. Nicht nur dank des Klimas und der reichhaltigen Erde, die Zitronen, Granatäpfel, Tee, Bockshornklee und wilden Spargel in einem Land nicht größer als Bayern gedeihen lassen; auch die vielen verschiedenen kulturellen Einflüsse – persisch, mongolisch oder türkisch - haben Georgiens Speiseplan in den letzten Jahrhunderten geprägt.
Es ist sicherlich keine Überraschung, dass die Bewohner eines Landes, das einst an der historischen Seidenstraße lag, ein großes Herz für Gastfreundschaft und Herzlichkeit haben. „Jeder Gast ist ein Geschenk Gottes" lautet das bekannte Sprichwort und ist gelebter Alltag in Georgien.
„Wenn die Menschen sich kennen lernen, wenn sie probieren, was der andere isst und trinkt und seine Kultur und seinen gesellschaftlichen Hintergrund verstehen, dann entsteht wirkliche Freundschaft zwischen Ländern“, so Michael Siebert, Referatsleiter Zentralasien und Südkaukasus im Auswärtigen Amt.
Und so werden in der Markthalle Neun an diesen Tagen die Grundlagen dafür gelegt, dass aus Gast und Gastgeber Freunde werden.